Fallbeispiel: Spinnenangst


"Ich bin allein zu Hause. Das heißt: nicht ganz allein, denn in unserem Hausflur sitzen zwei ansehnliche Exemplare der Gattung Tegenaria atrica, auch Hauswinkelspinne genannt, an der Wand. Mein Mann ist vor ein paar Minuten zur Arbeit gefahren, unsere Nachbarn sind auch nicht zuhause und ich habe mich im Erdgeschoss verbarrikadiert.

Hingehen und die Achtbeiner nach draußen befördern? Unmöglich. Ein beherzter Schlag mit dem Hauspuschen? Geht auch nicht: Ich müsste viel zu nahe ran, außerdem könnte ich die Spinne verfehlen. Und überhaupt: Ich möchte keine Tiere töten. Ein fieses Gefühl: Ich empfinde Abscheu, Anspannung und bin ständig auf der Hut. Die Spinne könnte plötzlich weg sein und dann ganz woanders auftauchen – im Schlafzimmer zum Beispiel, oder in der Dusche. Und dann? Würde ich mich ausgeliefert fühlen und vollkommen kopflos reagieren. Wenn sie auf mich zuliefe, mich berührte ...

Ja, es geht um eine Spinne. Ja, die tut nix. Sie ist nicht einmal giftig. Wahrscheinlich hat sie mehr Angst vor mir als ich vor ihr. Weiß ich alles. Nur – hilft mir das jetzt leider gar nicht weiter. Die Phobie lässt sich eben nicht mit Vernunft beschwichtigen.

Ich entscheide mich, meine Mutter anzurufen, sie wohnt nicht weit entfernt und kann mich von den ungeliebten Hausgästen befreien.

Und ich entscheide mich, endlich etwas zu unternehmen, denn diese Spinnenphobie wird mir wirklich lästig. Alltägliche Dinge sind davon geprägt: Inzwischen räume ich nur noch unter Anspannung den Gartenschuppen auf, gehe mit ständigem Spinnen-Scan-Blick in den Keller, in die Garage.

 

Ich habe in den Medien von wingwave-Coaching in bezug auf Ängste gehört und suche über den Coach-Finder von www.wingwave.com eine Therapeutin in meiner Nähe.

In der ersten Sitzung überprüft sie mit dem Muskeltest was genau Stress bei mir verursacht. >Dicke, fette, schwarze Spinne...< probiert sie einen Trigger. Der Rings schließt fest. >Aha, die Spinne ist es also gar nicht<, sagt sie und bittet mich, das Gefühl zu beschreiben, das mich stets befallt, wenn ich mich mit etwas oder jemanden Unangenehmes im Raum aufhalte und nicht weg kann oder darf. Woher kommt das Gefühl?

 

Wir gehen weiter in meiner Biographie und kommen zu meiner Kindheit, zu einem Erlebnis in der Schule, das ich dreißig Jahre erfolgreich verdrängt habe. Ich bin neun Jahre alt und wir übernachten in einer Jugendherberge. Es ist für mich ganz ungewohnt und beängstigend mit so vielen Kindern in einem Raum zu schlafen. Ein paar Mädchen erzählen schmutzige Witze und sprechen über Sex. Das macht mir Angst, das kenne ich nicht. Ich will nach Hause und kann nicht. Also halte ich aus und liege ganz still in meinem Bett.

 

Das ist der Punkt, an dem die Therapeutin mit den Winke-Sets beginnt. ich folge mit den Augen ihrer Hand. Danach fühle ich mich seltsam leicht und mir wird sehr warm. Mit weiteren Winke-Sets wird dieser Zustand stabilisiert. 

Einige Tage später treffe ich mich erneut zum "Winken" und der Muskeltest bestätigt, dass mein aktueller emationaler Status stabil ist. Es sieht gut aus. Trotzdem bekomme ich noch eine Ressource auf den Weg. Ich soll mich an eine Situation erinnern, in der ich stark war, die ich besonders ruhig und souverän gemeistert habe. Und so wird durch langsames Winken die Ressource "Ruhe" verankert.

 

Als ich einige  Tage später wieder eine Spinne sah, bleib ich ruhig stehen und überlegte, wie ich jetzt handeln soll. Ich bin angespannt, muss druchatmen, meine Ressource abrufen... Aber ich bin NICHT panisch. ich bin nicht aufgelöst zu meinem Mann gerannt und habe nicht alle Türen zwischen mir und der Spinne fest verriegelt.

Ich lege ein Sieb auf die Spinne, schiebe eine Pappe darunter. Die Spinne bewegt sich - das ist unangenehm, aber ich kann es aushalten und alles mit einem beherzten Wurf zur Terassentür hinausbefördern.

Danach fließen die Tränen, Erleichterung darüber, dass eine über 30 Jahre alte Phobie überwunden ist.

 

(Quelle: Auszüge aus "Kommunikation & Seminar 2/2012)